Jana Schiemenz, Mitarbeiterin am Tunaweza Zentrum

Tunaweza – Werkstatt für Jugendliche mit Behinderung

Armut und Behinderung

Die Teilhabe am ökonomischen und sozialen Leben bleibt insbesondere Menschen mit einer Behinderung in Mwanza bisher verwehrt. Mit einer Behinderung in Mwanza zu leben bedeutet für viele junge Menschen hier, ein Leben am Rande der Gesellschaft zu führen, zu Hause ohne Beschäftigung, nicht selten unter deprimierenden Bedingungen, einzig angewiesen auf das Wohlwollen und die Versorgung durch die Familie.

Von den geschätzten 500 Millionen Menschen mit Behinderung weltweit leben nahezu 80% in Entwicklungsländern. Umstände, die dazu führen, dass Menschen dort weit häufiger von Behinderung betroffen sind als in Industrienationen, stehen oft in Zusammenhang mit den Auswirkungen von Armut. Ernährung und Trinkwasserversorgung, Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Einkommen, die Qualität der Gesundheitsversorgung, aber auch Zugang zu Bildung und Informationen sind wesentliche Faktoren, die Einfluss auf die Entstehung von Behinderung haben.

Diese Angaben der Weltgesundheitsorganisation finden sich in Mwanza bestätigt. Zu den Faktoren, die hier in hohem Maße zur Entstehung von körperlichen und geistigen Behinderungen beitragen, zählen zu spät behandelte Malaria im frühen Kindesalter, Infektionskrankheiten wie Kinderlähmung und Hirnhautentzündung, mangelnde Geburtsvorsorge und Komplikationen unter der Geburt, Unfälle und Erkrankungen durch schlechte hygienische Bedingungen. Am Schicksal vieler junger behinderter Menschen in Mwanza wird deutlich, wie schlechte Lebensbedingungen einerseits zur Entstehung von Behinderung führen, welche wiederum mangelnde Bildungs- und Erwerbs-möglichkeiten zur Folge haben und damit erneut Benachteiligung, Ausgrenzung und Verarmung bedingt. Ein Kreislauf, der aus eigener Kraft schwer zu durchbrechen ist.

Vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder einer geistigen Behinderung existieren in Mwanza derzeit so gut wie keine effektiven Unterstützungsangebote. Sie bleiben weitestgehend unsichtbar und stigmatisiert als zusätzliche Belastung für die ohnehin meist ökonomisch schwachen Familien. Ein Unterstützungs- und Frühberatungssystem sowie therapeutische Hilfen für Familien mit behinderten Kleinkindern fehlen bisher völlig. Im schulischen Bereich wurden in den vergangenen Jahren erste Bemühungen unternommen, ein Bildungsangebot für Kinder mit Behinderungen zu schaffen. In den derzeit drei, an staatliche Grundschulen angegliederten, Schulklassen für Kinder mit intellektueller Behinderung finden jedoch bei weitem nicht alle betroffenen Kinder Aufnahme. Zudem können diese Schulen ihren Abgängern kaum eine Zukunftsperspektive nach Abschluss der Schulzeit bieten. Möglichkeiten nachschulischer, beruflicher Bildung und Beschäftigung für junge Menschen mit Behinderungen existieren bisher nicht. Insbesondere Menschen mit einer intellektuellen Behinderung wird nicht zugetraut, dass sie Tätigkeiten erlernen und sich produktiv in das Gemeinschaftsleben einbringen können. So haben sie, selbst wenn sie in ihren Familien positiv angenommen und versorgt sind, was leider nicht immer der Fall ist, oft keine Chance, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.