Jana Schiemenz, Mitarbeiterin am Tunaweza Zentrum

Tunaweza – Werkstatt für Jugendliche mit Behinderung

TUNAWEZA Newsletter Februar 2010

Liebe Familie, Freunde und Unterstützer,

nachdem ich nun seit bereits drei Wochen wieder zurück in Mwanza bin, möchte ich Euch/Ihnen heute ein wenig von den aktuellen Ereignissen bei TUNAWEZA berichten.

Für diejenigen, die noch nicht ganz so informiert über meine neue Arbeit mit TUNAWEZA sind, hier ein kurzer Rückblick:

WAS BISHER GESCHAH

Aus der Erfahrung heraus, dass es in Mwanza bislang kein nachschulisches Angebot für Jugendliche mit geistiger Behinderung gab und die meisten dieser jungen Menschen, wenn sie die Sonderschulklasse verlassen, perspektivlos sind, habe ich im vergangenen Jahr gemeinsam mit 11 weiteren Gründungsmitgliedern eine tansanische Organisation gegründet. Diese trägt den Namen TUNAWEZA (Swahili: wir können!) und hat zum Ziel, Jugendlichen mit einer Behinderung ein zweijähriges berufliches Training anzubieten sowie die Familien bei der Entwicklung von beruflichen Zukunftsperspektiven für ihre Kinder zu beraten und zu begleiten.

Nach der Gründungssitzung im September 2009 (zu welcher Jana, die Vegetarierin, zwei Hühner gekocht hat!) waren wir zunächst einmal vollauf mit Bürokratie und organisatorischen Vorbereitungen beschäftigt. Für unsere neu gegründete Organisation musste eine Registrierung und eine Steuernummer beantragt, ein Bankkonto eröffnet, Projektanträge an potentielle Sponsoren geschrieben, ein geeignetes Haus und zuverlässige Mitarbeiter gefunden werden. Insbesondere die erstgenannten Dinge sind im tansanischen Behördendschungel zeit- und nervenraubend, aber sie sind uns geglückt. All diese Aufgaben wurden ehrenamtlich von den Mitgliedern unseres Vereinsvorstandes übernommen.

Nach diesen Vorarbeiten läuft die Arbeit in der TUNAWEZA Werkstatt nun bereits seit Mitte Januar mit den ersten Jugendlichen.

DAS HAUS

Bei der Wahl des Hauses, in welchem die Werkstatt untergebracht sein soll, gab es zunächst einige unerwartete Schwierigkeiten. Ein geeignetes Haus, welches uns zur Nutzung angeboten worden war, konnten wir letzten Endes leider nicht in Anspruch nehmen, da es mit dem Besitzer einige Missverständnisse über die künftige Zusammenarbeit mit TUNAWEZA gab. Wir haben uns deshalb Anfang des Jahres entschieden, ein anderes, verhältnismäßig günstiges, geräumiges Haus mit Garten im gleichen Stadtteil zu mieten. Dieses Anwesen bietet uns räumlich phantastische Möglichkeiten, sowohl was die Innenräume betrifft, als auch den Garten. Leider wurde es in den letzten Jahren nicht besonders gepflegt und es besteht einiger Renovierungsbedarf, der nicht ins Budget eingeplant war. Wir haben beschlossen, zunächst einmal nur das Allernötigste weitestgehend selbst zu reparieren (leckende Stellen im Dach, Dachrinnen, Sanitäranlagen und Elektrik) und so wir Spenden dafür erhalten, Stück für Stück mit der Renovierung fortzufahren.

DER GARTEN

Den Garten haben wir ebenfalls ziemlich verwildert und verwachsen vorgefunden, aber dank der tatkräftigen Mitarbeit zweier ehrenamtlicher Helfer sieht es da seit Ende dieser Woche schon viel versprechend aus. Nachdem das Gras gemäht und die Steine entfernt waren, haben wir gemeinsam mit zwei unserer Jugendlichen erste Beete angelegt. Jetzt fehlt noch etwas Dünger und Regen, dann können wir säen. Unser Gartenteam plant, mit Paprika, Tomaten, Spinat und Zwiebeln zu beginnen. Ich werde aus meinem privaten Garten einige Artemisia-pflanzen, Zitronengras und Zierpflanzen mitbringen. Wir sind gespannt, was gedeiht …

Vor dem Haus haben wir einen unterirdischen Wasserspeicher, der 40000 Liter fasst, den wir nur im Moment leider noch nicht nutzen können, da wir keine Wasserpumpe besitzen. Sobald wir Geld für die Anschaffung einer Pumpe haben, planen wir, das Regenwasser vom Dach in das Wasserreservoir zu leiten und in der Trockenzeit zur Bewässerung des Gartens zu nutzen.

DIE JUGENDLICHEN

Nun habe ich schon eine ganze Menge über Haus, Renovierung und Garten berichtet, aber noch nicht viel über unsere ersten Schüler. Wir haben beschlossen, Renovierungsarbeiten und Beginn des Trainingsprogramms für die ersten Jugendlichen gleichzeitig zu starten. Dies stellt uns hin und wieder vor einige organisatorische Herausforderungen, aber eröffnet auch Chancen, unsere Schüler in ganz verschiedene Arbeiten von Anfang an mit einzubeziehen und auszutesten, was ihnen liegt und Spaß macht. Bisher haben wir fünf Jugendliche mit Behinderung in unser Programm aufgenommen, mit zwei weiteren Jugendlichen und deren Familien sind wir im Gespräch. Unsere derzeitigen Schüler sind Theodora, Kulwa, Manyecha, Steven und Nestory. Ich werde die Jugendlichen in den nächsten Rundbriefen nach und nach kurz vorstellen. Für heute möchte ich einiges über Manyecha berichten.

MANYECHA ist ein junger Mann mit Lernbehinderung. Seine Mutter ist gestorben, der Verbleib des Vaters ist unbekannt. Manyecha lebt im Haus seiner Großmutter und wird von dieser unterstützt. Bis 2005 besuchte er eine Sonderschulklasse, welche von einer Elterninitiative ins Leben gerufen wurde. Als er schließlich zu alt für diese Schule wurde, blieb Manyecha wieder zu Hause. Inzwischen ist er ein junger Mann, der gern ein selbstständiges Leben führen möchte, aber noch immer auf die Unterstützung seiner Großmutter angewiesen ist. Manyecha möchte gern arbeiten und er liebt es, eine Krawatte zu tragen, wenn er das Haus verlässt. Das gibt ihm das Gefühl, etwas wert zu sein. Er hat einfache Hausarbeiten wie Wasser tragen, Putzen, Geschirr spülen und Autos waschen gelernt und verbrachte seine Zeit bisher überwiegend in der Nachbarschaft. Oft wurde er dort jedoch von lokalen Laden- und Restaurantbesitzern als kostenlose Arbeitskraft missbraucht, da Manyecha nicht rechnen kann und bisher nicht weiß, welche Bezahlung er für eine bestimmte Arbeit verlangen kann. Wir von TUNAWEZA haben in einem gemeinsamen Gespräch mit Manyecha und seiner Großmutter vereinbart, dass Manyecha bei uns in den nächsten 2 Jahren neue Tätigkeiten erlernen kann, die ihn befähigen, ein selbstständigeres Leben zu führen. Dazu gehört neben dem Ausprobieren neuer handwerklicher Fähigkeiten auch, den Umgang mit Geld zu erlernen, selbstständig öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und für sich selbst zu kochen. Manyecha selbst scheint von diesen neuen Möglichkeiten ganz begeistert. Er hat in dieser Woche erstmals Malerarbeiten ausprobiert und drei Tage lang unermüdlich und sorgfältig Wände in der TUNAWEZA Werkstatt angestrichen. Mit wenig Hilfe beim Einsteigen an der Minibushaltestelle und dem passenden Fahrgeld in der Hand hat er mittlerweile auch keine Angst mehr, allein zu TUNAWEZA und am Nachmittag zurück nach Hause zu fahren. In der Werkstatt merken wir schon jetzt, dass Manyecha eine große Bereicherung für die ganze Gruppe sein wird. Er ist sehr sozial, liebt es Späße zu machen und unterhält uns in den Pausen mit seinen Geschichten ganz wunderbar. Wir sind sehr optimistisch gemeinsam mit Manyecha viel erreichen zu können, was sein Leben verändern wird.

UNSER MITARBEITER TEAM

Für die Arbeit in der TUNAWEZA Werkstatt hat sich seit Januar ein Team von Ehrenamtlichen, Voll- und Teilzeitangestellten zusammengefunden, das ich an dieser Stelle ebenfalls kurz vorstellen möchte.

OBADIA – ist unser Projektkoordinator, welcher gemeinsam mit mir maßgeblich an der Gründung und Konzeption von TUNAWEZA beteiligt war. Obadia ist von Beruf Sonderschullehrer, der alle bisher aufgenommenen Schüler bereits durch seine früheren Tätigkeiten in verschiedenen Sonderschulklassen kennt. Mit seinen sonderpädagogischen als auch vielseitigen handwerklichen Fähigkeiten bringt er für die Leitung unseres Werkstattteams beste Voraussetzungen mit.

ESTER – ist eine Schneiderin, die wir für Hauswirtschaftsunterricht und die Leitung des künftigen Nähprojektes eingestellt haben. Sie hat noch nie mit behinderten Jugendlichen gearbeitet, traut sich diese Aufgabe jedoch zu und arbeitet sich seit Ende Januar mit viel Engagement in die neue Aufgabe ein.

STEPHANO – ist ein junger Mann mit abgeschlossener Sekondarschulbildung, der selbst eine leichte Körper-behinderung hat und großes Interesse an einer Mitarbeit in unserem Projekt gezeigt hat. Er wird künftig in Teilzeit für uns arbeiten und überwiegend bei administrativen und sozialarbeiterischen Aufgaben helfen. Er soll uns v.a. dabei unterstützen, eine enge Zusammenarbeit mit den Familien aufzubauen und Mobilitätstraining mit unseren Schülern durchführen.

JASINTA – konnte ab Februar dank einer Spende von Freunden aus Oberursel zusätzlich für zunächst ein Jahr angestellt werden. Sie ist eine meiner früheren Kolleginnen aus dem Kinderheim und hat bereits Erfahrung in der Arbeit mit geistig behinderten Kindern und Jugendlichen. Sie soll vor allem helfen, Förderpläne für die einzelnen Jugendlichen zu erstellen und Hauswirtschaft zu unterrichten.

JANA – ich werde mich als Direktorin v.a. um organisatorische/ administrative Belange kümmern (Fundraising, Marketing, Buchhaltung, Zusammenarbeit mit dem Vorstand) und dem Werkstattteam in pädagogischen und planerischen Fragen beratend zur Seite stehen.

Zusätzlich haben wir derzeit zwei ehrenamtliche tansanische Helfer namens MPETA und NASHON, die uns an drei Tagen in der Woche mit großem Elan dabei unterstützen, den Garten auf Vordermann zu bringen. Wir hoffen durch weiteres Fundraising eine Möglichkeit zu finden, für die beiden künftig eine bezahlte Teilzeitstelle zu schaffen.

Des Weiteren helfen uns mehrere deutsche Freiwillige bei den Renovierungs- und Malerarbeiten.

WAS STEHT AN

Mit diesem Team und den ersten Jugendlichen haben wir das Projekt TUNAWEZA recht viel versprechend gestartet. Die Liste der vor uns liegenden Aufgaben ist lang, aber wir sind optimistisch, gemeinsam jeden Tag ein gutes Stück voran zu kommen.

Für die nächste Woche bereiten wir ein erstes Elterntreffen vor. Weiter planen wir, in den nächsten Tagen, Nähmaschinen zu kaufen, um das Nähprojekt starten zu können, und wir hoffen, die bereits vor Weihnachten in Auftrag gegebenen Möbel endlich abholen zu können. Bisher sitzen wir auf Farbeimern statt auf Stühlen und verstauen alle Werkzeuge, Küchengeräte usw. in Tüten und Körben.

TUNAWEZA hat sich keine leichte Aufgabe vorgenommen und wir erwarten, noch mit so einigen Herausforderungen konfrontiert zu werden, doch unsere Stimmung ist von der hoffnungsvollen Überzeugung getragen, dass wir in gemeinsamer Anstrengung etwas verändern können. Wir halten Euch und Sie auf dem Laufenden über unsere Arbeit und freuen uns über jede Form von Rückmeldung und Unterstützung.

Für alle bisher eingegangenen Spenden, die es uns ermöglichen, den Start des Ausbildungsprogramms zu finanzieren und erste Anschaffungen für die Werkstatt zu tätigen, möchten wir uns herzlich bedanken!

Den heutigen Rundbrief möchte ich mit einem tansanischen Sprichwort beschließen, das, wie ich finde, ganz gut auf unser TUNAWEZA Haus passt:

Uzuri wa nyumba si rangi – fungua mlango, uingie ndani!

Die Schönheit eines Hauses macht nicht seine Farbe aus – öffne die Tür und geh hinein!

Herzliche Grüße,

von Jana und dem gesamten TUNAWEZA-Team!